Deutsche Wirtschaft: Entwicklung zäh
Der Exportversicherer Euler Hermes hat eine neue Studie zur Entwicklung der deutschen Wirtschaft herausgebracht. Demnach steht diese in der Covid-19-Pandemie besser da als viele andere Nationen.
Mit minus 12 Prozent im Vergleich zu Q4 2019 ist die hiesige Wirtschaft weniger stark eingebrochen als in Frankreich, Spanien, Italien oder Großbritannien, die allesamt ein Minus zwischen 18 – 24 Prozent bisher verkraften mussten. Über den Sommer zeigte sich in manchen Branchen in Deutschland sogar eine kräftige Erholung als eine Art „Nachholeffekt“ nach dem Lockdown. Das sind erste positive Signale.
„Insgesamt erwarten wir für das Gesamtjahr 2020 ein Minus von 6 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP), gefolgt von einer unvollständigen Erholung von 3,5 Prozent im kommenden Jahr“, sagt Katharina Utermöhl, Senior Volkswirtin bei Euler Hermes. „Das Vorkrisenniveau beim Bruttoinlandsprodukt wird Deutschland aller Voraussicht nach erst 2022 wieder erreichen.“
Wirtschaftliche Entwicklung: zähfließender Verkehr mit Stillstand und Staugefahr
In nächster Zeit versetzt Covid-19 die Wirtschaft eher in eine Art „Stop & Go“-Modus, bei dem die wirtschaftliche Erholung zeitweise nur langsam vorankommt und immer wieder anhalten muss:
„Auch wenn es im Sommer eine kleine Aufholjagd gab, wird uns Covid-19 noch länger begleiten, als uns lieb ist, und viele Effekte werden erst sehr zeitversetzt überhaupt sichtbar“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Es stehen uns also noch einige Negativüberraschungen bevor, auch wenn es gerade in Deutschland auch einige überraschend positive Signale gibt wie beispielsweise die Erholung beim Warenverkehr.“
Bei steigenden Fallzahlen werden aller Voraussicht nach allerdings wieder mehr Einschränkungen kommen, bei sinkenden Zahlen Lockerungen – mit den jeweiligen Auswirkungen auf die Wirtschaft und Unternehmen. Mit einer nachhaltigen Erholungsdynamik am Arbeitsmarkt ist frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2021 zu rechnen – unter der Voraussetzung, dass es einen Impfstoff gibt.
Insolvenzen: Deutschland mit voraussichtlich 11 Prozent mehr Insolvenzen bis 2021 vs. 2019
Diese nicht lineare Entwicklung durch die Pandemie bremst viele Unternehmen weiter aus, da sie wenig Planungssicherheit haben und viele eine schnelle Erholung nach dem bisherigen Jahresverlauf 2020 dringend bräuchten. Insofern wird es auch in Deutschland einen Anstieg bei den Pleiten geben – auch wenn er deutlich geringer ausfallen dürfte als in vielen anderen Ländern. Das sind gute Nachrichten. Dennoch sind auch hierzulande Jobs in Gefahr – nicht alle Kurzarbeiter werden in ihre Jobs zurückkehren.
Gefahr für Abnehmer entlang der gesamten Lieferkette
Durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in einigen Ländern und zahlreiche staatliche Liquiditäts- und Sofortmaßnahmen im Zuge der Covid-19-Pandemie dürfte die Anzahl von sogenannten Zombie-Unternehmen weiter stark gestiegen sein.
„In der Krise ist der Verschuldungsgrad von vielen Unternehmen stark angestiegen“, sagt Van het Hof. „Inzwischen dürften also noch deutlich mehr Unternehmen in der „Zombie-Falle“ stecken als vor der Pandemie. Deren Abnehmer entlang der gesamten Lieferkette sind aktuell im Blindflug unterwegs und laufen damit Gefahr, mit in den Abwärtssog zu geraten. Es ist ganz entscheidend, sich auf höhere Kreditausfälle einzustellen und diese mit einzuplanen.“
In vielen anderen Ländern ist die Lage allerdings weitaus schlimmer. In den zwei Jahren bis 2021 geht Euler Hermes weltweit von einem Anstieg der Pleiten um rund ein Drittel aus (31 Prozent Anstieg 2021 vs. 2019). Trauriger Negativrekordhalter sind die USA mit einem kumulierten Anstieg der Insolvenzen um voraussichtlich 65 Prozent über die zwei Jahre. Auch Großbritannien (+36 Prozent 2021 vs. 2019), Spanien (+35%), Brasilien und die Niederlande (je +32%) oder auch die Türkei (+31%) trifft es besonders hart. Relativ gesehen kommt Deutschland also voraussichtlich deutlich besser aus der Krise. Ähnliche Insolvenzentwicklungen wie in der Bundesrepublik erwarten die Experten in Indien (+11%), Japan oder Australien (je +12%).
Exportnation Deutschland: Abhängigkeit vom globalen Handel, keine Wunderheilung in Sicht
„Deutschland steht besser da als viele andere Länder. Als Exportnation ist die Bundesrepublik allerdings seit jeher stark von internationalen Entwicklungen und dem Welthandel abhängig“, sagt Van het Hof. „Dass der Warenverkehr schon im Sommer überraschend stark angezogen hat, ist sicherlich eine gute Nachricht für viele der hiesigen Unternehmen. Die Service-Krise ist jedoch tiefgreifender. Insofern sind auch das Indikatoren, dass es angesichts der asynchronen globalen Konjunkturentwicklung weder in Deutschland noch beim Welthandel zu einer blitzartigen Erholung kommen wird. Die Erholung wird eher langsam vonstatten gehen.“
Insbesondere zwei wichtige Handelspartner, Großbritannien und die USA, die 2019 zusammen etwa 15% aller deutschen Exporte ausgemacht haben, zeigen nur eine sehr geringe Nachfrage nach deutschen Produkten.
Politische Risiken auf dem Vormarsch: Vorsicht geboten, auch bei deutschen Handelspartnern
Die politischen Risiken mit den bevorstehenden US-Wahlen und der Gefahr eines „No-Deal-Brexits“ bergen für die Zukunft zudem erhebliche Risiken für den Handel mit den beiden Ländern. Politische Risiken steigen in der aktuellen Krisenzeit aber nicht nur in den USA oder Großbritannien.
„In Krisenzeiten sind auch oft politische Risiken auf dem Vormarsch“, sagt Utermöhl. „Zu den Risiken in den USA kommen beispielsweise Spannungen mit Russland und im Mittelmeer. Auch der Konflikt zwischen den USA und China dürfte 2021 in die nächste Runde gehen. In die nächste Runde in einer beinahe unendlichen Geschichte gehen auch die Brexit-Verhandlungen. Inzwischen liegt die Gefahr eines Austritts ohne Handelsabkommen bei 45%.“
Die vollständige Studie zur wirtschaftlichen Entwicklung in Zeiten von Covid-19 finden Sie hier:
Wirtschaftliche Entwicklung in Zeiten von Covid-19 (Englisch): Report
Wirtschaftliche Entwicklung in Zeiten von Covid-19 (Englisch): Präsentation
Euler Hermes / 07.10.2020