Deutschland: Ukraine-Konflikt unterstreicht Abhängigkeit von russischem Gas
Auch ohne die Inbetriebnahme der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 bezieht Deutschland einen großen Teil seiner Erdgasimporte aus Russland. Die aktuelle Eskalation im Ukraine-Konflikt lässt diese Einfuhren in einem neuen Licht erscheinen – befürchtet wird, dass der russische Präsident Wladimir Putin der Bundesrepublik den Gashahn zudrehen könnte. Nach Berechnungen der Bundesregierung dürften die vorhandenen Gasvorräte vorerst ausreichen.
Deutschland verbraucht deutlich mehr Erdgas als es selber produzieren kann. Laut Zahlen des Energiekonzerns BP verbrauchte Deutschland im Jahr 2020 rund 86,5 Mrd cbm Erdgas – produziert wurden hierzulande jedoch lediglich 4,5 Mrd cbm. Deutschland kann den eigenen Bedarf somit zu lediglich rund 5% abdecken. Die Produktion war 2020 außerdem deutlich rückläufig – sie ging um knapp 16% im Vorjahresvergleich zurück. Zwischen 2009 und 2019 betrug das Minus gute 8%.
Erdgas für die Stromerzeugung und insbesondere fürs Heizen von Wohnhäusern muss deshalb importiert werden. Ein Großteil der Einfuhren stammt aus Russland: 2020 waren es 56,3 Mrd cbm, das entsprach rund 55% der deutschen Gasimporte. Weitere wichtige Gaslieferanten sind Norwegen (rund 31%) und die Niederlande (rund 13%).
Die Gasspeicher in Deutschland mit einem Gesamtvolumen von rund 23 Mrd cbm sind laut Zahlen der Organisation Gas Infastructure Europe aktuell zu rund 31% befüllt. Dies entspricht in etwa dem Füllstand aus dem letzten Jahr: Im Februar 2021 waren die deutschen Gasspeicher zu rund 32% gefüllt. Im Vergleich zu 2020 ergibt sich allerdings ein bedeutender Unterschied: Im Februar vor zwei Jahren waren die Gasspeicher in Deutschland noch zu über 80% gefüllt, im Februar 2019 lag der Füllstand bei immerhin 57,61%.
Auf europäischer Ebene zeigt sich ein ähnliches Bild: Europaweit sind die Gasvorräte aktuell zu rund 31% gefüllt, im Vorjahr waren es rund 38%. Im Februar 2020 waren 63,73% der Gasspeicherkapazitäten ausgelastet.
Die Bundesregierung ist optimistisch – selbst wenn Russland den Gashahn komplett zudreht, sei mit einem Versorgungsengpass in Deutschland nicht zu rechnen, wie der “Spiegel” unter Berufung auf Regierungskreise berichtete. “Deutschland ist versorgungssicher”, sagte auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Die deutschen Gasvorräte seien ausreichend, zusätzlich könne außerdem bei Bedarf noch Flüssiggas über Kurzzeitverträge eingekauft werden. Voraussetzung für diese Prognose ist laut “Spiegel” jedoch, dass es zu keinem länger anhaltenden Kälteeinbruch kommt.
Laut Berechnungen des Branchendienstes S&P Global Platts, die dem “Spiegel” vorliegen, hat der russische Staatskonzern Gazprom 2021 nur knapp 130 Mrd cbm Gas nach Europa geliefert, rund 31% weniger als durchschnittlich in den fünf Jahren davor. Nach aktuellem Kenntnisstand erfüllt Gazprom demnach zwar seine langfristigen Lieferverträge, verkauft aber anders als sonst kein zusätzliches Gas am Spotmarkt.
Quelle: AFP