DIHK-Umfrage: Warum in die Ferne schweifen? Weil’s dort günstiger ist
Das Ergebnis scheint auf den ersten Blick widersprüchlich. Auf der einen Seite planen weniger hiesige Industrieunternehmen den Schritt über die Grenze. Auf der anderen Seiten wollen die Betriebe, die ohnehin schon im Ausland tätig sind, ihr Investitionsvolumen zunehmend erhöhen, allerdings zuvorderst aus Kostengründen.
Das zeigt eine aktuelle Sonderauswertung der Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zu Auslandsinvestitionen unter mehr als 2.000 industriellen Unternehmen. Lediglich 43% der befragten Betriebe möchten derzeit im Ausland investieren – der niedrigste Wert seit 10 Jahren. In der Studie heißt es dazu: “Dabei ist unsere exportstarke Industrie hierzulande stärker als andere Länder von der Erschließung ausländischer Märkte durch Auslandsinvestitionen abhängig, die immer wieder ausgebremst wird – durch protektionistische Maßnahmen, wirtschaftliche Entkoppelungs-Tendenzen und aktuell durch die Corona-Krise.”
Immerhin: Die Investitionsvolumina der auslandsaktiven Unternehmen in den einzelnen Märkten sind in diesem Jahr gegenüber 2020 angestiegen – vor allem in China von 12 auf 20 Punkte, in Nordamerika von 9 auf 25 Punkte; in Afrika sowie im Nahen und Mittleren Osten sogar von 7 auf 28 Punkte. Zugleich wollen mehr deutsche Firmen in den Top-3-Zielregionen deutscher Auslandsinvestitionen präsent sein – in der Eurozone (Anstieg von 63 auf 65%), in China (Anstieg von 36 auf 39%) und in Nordamerika (Anstieg von 31 auf 35%). Aber auch die sonstige EU, Schweiz und Norwegen werden für Unternehmen attraktiver (Anstieg von 21 auf 23%).
Die Betriebe wissen der DIHK-Sonderanalyse zufolge stabile Lieferketten in Heimatnähe ebenso zu schätzen wie den wachsenden Konsum in China und eine verlässliche Wirtschaftspolitik in den USA. Hinzu komme die steigende Attraktivität der Eurozone und der sonstigen EU für Aktivitäten zur Nahverlagerung. Der zum Jahresbeginn vollzogene Brexit schlägt seit Langem hohe Wellen. Er hat offenbar auch Auswirkungen auf die Investitionsaktivitäten im Vereinigten Königreich, die im ersten Moment überraschen könnten: So plant jedes zehnte Industrieunternehmen in Großbritannien zu investieren. In der Vorumfrage waren es lediglich 6%. Um die durch Handelshemmnisse hervorgetretenen Problemen in den Griff zu bekommen, werden vor allem Vertrieb und Kundendienst ausgebaut (73%).
Insgesamt werden nach DIHK-Angaben durch die deutschen Direktinvestitionen 2021 erstmalig über acht Millionen Arbeitsplätze an ausländischen Standorten geschaffen und gesichert. Dabei unterscheiden sich die aktuellen Ambitionen der produzierenden Unternehmen im Ausland teils deutlich. So hat die pharmazeutische Industrie ihr Auslandsengagement deutlich ausgeweitet. Gleiches gilt für den Fahrzeugbau. Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau hält sich hingegen derzeit offenbar zurück. Dort plant lediglich ein Fünftel der Unternehmen, seine Auslandsinvestitionen auszuweiten, während 23% diese kürzen wollen. Abstriche bei den Auslandsplänen nehmen auch die Elektrotechnik sowie das Textil-, Bekleidungs- und Ledergewerbe vor.
Während dem DIHK zufolge etwa in der chemischen Industrie (inklusive Pharma) überdurchschnittlich viele Betriebe einen Aus- und Aufbau von Produktionskapazitäten zur Markterschließung planen, geht es bei den Auslandsengagements im Fahrzeugbau hauptsächlich um Kostenersparnis. Letzteres ist auch ein zunehmend zu beobachtendes Motiv für Investitionen jenseits der eigenen Grenzen. 28% wollen mit diesem Schritt Kosten einsparen. Das ist der höchste Wert seit 2008. Dennoch sind die Hauptmotive in der Chemiebranche weiterhin im Vertriebs- und Kundendienst zu suchen. Anders sieht es sowohl im Fahrzeugbau als auch im Textil-, Bekleidungs- und Ledergewerbe aus. Dort nennt beinahe jeder zweite Betrieb Kostengründe für sein Auslandsengagement (jeweils 48%). Bei den Produzenten von Metallerzeugnissen (33%), in der Elektrotechnik (30%) sowie bei Spitzentechnologieunternehmen (27%) ist die Bedeutung dieses Motives ebenfalls zuletzt teils kräftig angestiegen. Das dürfte sich angesichts der wirtschaftlichen Turbulenzen im Zuge der anhaltenden Corona-Pandemie wohl so schnell auch nicht ändern.
DIHK/jr/promv