London und Brüssel uneins zu Brexit-Regelungen
Die EU und Großbritannien streiten erneut um Brexit-Regelungen für Nordirland. London kündigte am Mittwoch an, Übergangsregelungen für die Ausfuhr von Lebensmitteln und Agrarprodukten in die britische Provinz einseitig bis Oktober zu verlängern. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic, warf Großbritannien daraufhin einen Verstoß gegen das im Brexit-Abkommen vereinbarte Nordirland-Protokoll vor. Sefcovic kritisierte die “einseitige Maßnahme”. London habe Brüssel nicht vorab darüber in Kenntnis gesetzt. Großbritannien war zum 01. Januar 2021 aus dem EU-Binnenmarkt und der europäischen Zollunion ausgetreten. Für Nordirland wurde im Brexit-Vertrag ein gesondertes Protokoll vereinbart, das Grenzkontrollen und erneute gewaltsame Konflikte zwischen Irland und Nordirland verhindern soll.
Nordirland hat einen Sonderstatus, es verließ die EU-Zollunion, wendet aber weiter die Regeln des europäischen Binnenmarktes an. Damit müssen etwa Produkt- und Hygienestandards von aus Großbritannien eingeführten Waren den EU-Bestimmungen entsprechen. Daher sind Kontrollen im Handel zwischen Großbritannien und Nordirland erforderlich, konkret bedeutet dies eine Warengrenze innerhalb des Vereinigten Königreichs. Die vereinbarte Übergangsphase endet Anfang April. Der für Nordirland zuständige Staatssekretär Brandon Lewis kündigte an, dass die britische Regierung die Ausnahmeregelungen ohne Zollkontrollen für Lebensmittelimporteure bis zum Oktober verlängern werde. Es handele sich um eine “vorübergehende” Maßnahme, um größere Störungen im Warenfluss zu vermeiden. In der vergangenen Woche hatte Nordirland bereits den Bau von Kontrollposten an der Warengrenze zu Großbritannien vorerst ausgesetzt.
Pro-britische Politiker in Nordirland verlangen seit längerem, das Protokoll aufzukündigen. Dieses hat wegen Verzögerungen durch Kontrollen und teils unklaren Exportbedingungen bereits zu Versorgungsengpässen bei Lebensmitteln in Nordirland geführt. Verschärft wurde der Streit im Zusammenhang mit der Knappheit bei Corona-Impfstoffen. Die EU-Kommission hatte zunächst erwogen, Impfstoffausfuhren auch nach Nordirland zu beschränken und wollte dazu eine Ausnahmeregel im Brexit-Protokoll nutzen. Nach massiven Protesten aus Großbritannien und dem EU-Mitglied Irland ließ Brüssel den Plan schnell wieder fallen.
NfA / PRMV / 05.03.2021