Materialengpässe und Transportblockaden treffen die deutsche Industrie
Die Knappheit bestimmter Güter, Rohstoffe und Vorleistungen greift auf den Weltmärkten immer weiter um sich. Das hat nun auch eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts unter deutschen Unternehmen ergeben. Demnach klagte fast jeder zweite Industriebetrieb über Lieferengpässe. Die 45% sind der höchste Wert seit der Zeit der deutschen Wiedervereinigung.
Am meisten sind offenbar die Hersteller von Gummi- und Kunststoffgütern davon betroffen. In diesem Wirtschaftszweig gaben gegenüber dem ifo-Instiutt 71% der Firmen an, unter Engpässen zu leiden. Sie treten allen voran bei Chemikalien und Plastik auf. Nicht weit dahinter folgen die Fahrzeugindustrie (65%) und die Hersteller von elektronischen Ausrüstungen (63%). Auf sie wirken sich besonders die massiven Engpässe bei Chips und Halbleitern aus, der sich bereits seit dem Jahresanfang abzeichnete. Aber auch Rohstoffe wie Metalle sind mittlerweile globale Mangelware. Der Kupferpreis etwa stieg zuletzt auf ein 10-Jahres-Hoch. Viele deutsche Unternehmen mussten deshalb ihre Produktion drosseln, die Wartezeiten etwa bei bestimmten Automodellen sind zur Zeit lange. Auch im Baugewerbe kommt es längst auch zu Verzögerungen wegen fehlendem Material.
Dabei befindet sich die Mehrheit der Industriezweige ausgerechnet jetzt in einer Boomphase. Die Auftragsbücher sind vielerorts prall gefüllt, allen voran im Maschinen- und Anlagenbau. Daran dürfte sich angesichts des wirtschaftlichen Aufschwungs asiatischer Staaten wie China, Taiwan oder Vietnam und gigantischen Konjunkturhilfen in Europa und den USA so schnell wohl auch nichts ändern. Deshalb schreitet zunehmend auch die Politik ein – und versucht, durch Runde Tische und Investitionssteuerung die Engpässe etwa in der Chipindustrie abzufangen. Doch von heute auf morgen lässt sich das nicht beheben. Ein weiteres großes Problem, mit dem auch die exportorientierte deutsche Industrie zu kämpfen hat, sind die Auswüchse bei den Transportcontainern. Der blockierte Suezkanal durch die havarierte Ever Given hat weltweit deutlich gemacht, dass die Logistik an einem seidenen Faden hängt. So fehlen derzeit weltweit mindestens 10% an Frachtcontainern. Auch die Luft- und Bodenwegen sind vielfach versperrt oder heillos überteuert.
Das alles erklärt neben der grassierenden dritten Corona-Welle auch, warum die deutschen Manager eher skeptisch sind, was die Aussichten in den nächsten Monaten angehen. Der ifo-Geschäftsklimaindex für das Verarbeitende Gewerbe legte zwar im März noch einmal auf den höchsten Stand seit Mai 2018 zu. Der Anstieg schwächte sich aber merklich ab. Der Abbau der Engpässe dürfte den gesamten Sommer über andauern. Dabei ist es nicht einmal die exportorientierte Industrie, die am stärksten leidet. Es sind vielmehr nach wie vor die vielen hiesigen Dienstleistungsbetriebe wie der Handel oder die Gastronomie, die die anhaltende Corona-Pandemie immer heftiger trifft.
ifo/jr/promv