Schweizer Licht- und Schattenspiele
Die Schweiz hat seit jeher eine besondere Stellung in Europa. Vor dem Coronavirus waren freilich auch die Eidgenossen nicht gefeit. Im Gegenteil: Aufgrund ihrer traditionellen liberalen, freiheitsorientierten Politik konnte sich Sars-Cov-2 in dem kleinen Land stark verbreiten. Bis zum heutigen Tag gab es dort rund 642.000 Positivfälle und über 10.500 Corona-Tote – und das bei lediglich 8,6 Millionen Einwohnern. Immerhin traf es die schweizerische Wirtschaft im Zuge der Pandemie nicht ganz so hart. So ging das Bruttoinlandsprodukt 2020 lediglich um 2,9% zurück. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert in diesem Jahr für den Alpenstaat ein BIP-Wachstum von knapp 3,5%. Die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) gab in einer Pressemitteilung vom Donnerstag bekannt, dass die Schweizer Exporte im ersten Quartal 2021 das Niveau von vor dem Ausbruch der Krise erreicht haben. Demnach lagen sie in den ersten drei Monaten mit 58,11 Mrd. Franken nominal um 4,8% über dem Wert des Vorquartals. Dies war der dritte Anstieg hintereinander. Die Importe kletterten zum Jahresauftakt um 1,7% auf 46,83 Mrd. Franken. Die Handelsbilanz kam so im ersten Quartal 2021 auf einen Rekordüberschuss von 11,28 Mrd. Franken.
Von Seiten der EZV-Experten heißt es hierzu: „Beim Exportanstieg ist mehr als die Hälfte der Zunahme von chemisch-pharmazeutischen Produkten generiert worden. Auch die Ausfuhren von Maschinen und Elektronik, von Metallen sowie von Uhren legten gegenüber dem Vorquartal deutlich zu.“ Die Exporte von Fahrzeugen seien nach zwei starken Zunahmen in den beiden vorherigen Quartalen im Berichtsquartal hingegen gesunken. Am stärksten zogen zuletzt die Schweizer Ausfuhren nach Nordamerika an. Auf der anderen Seite legten die Einfuhren aus Asien und Europa ordentlich zu. Besonders hohe Zuwächse gab es hier bei Metallen, Schmuck, Maschinen und Elektronik.
Auch außenpolitisch gibt es derzeit viel Bewegung in der Schweiz – gerade auch im seit Jahren schwierigen Verhältnis zur Europäischen Union. So kommt der eidgenössische Bundespräsident Guy Parmelin am heutigen Freitag in Brüssel mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammen. Thema ist das Rahmenabkommen, das 120 bilaterale Einzelverträge ersetzen soll und über das schon seit rund drei Jahren verhandelt wird. Die Hoffnung auf einen Durchbruch ist allerdings nicht allzu hoch. Zuletzt hat eine Unterhändlerin in Brüssel zu bedenken gegeben, dass die Schweiz ihr Interesse an dem Abkommen nicht nur verloren, sondern sich von dem Textlaut auch immer weiter distanziert hat. So wird dort mal wieder befürchtet, zu viel Eigenständigkeit aufzugeben. De Europäische Kommission wünscht sich, dass Bern künftig alle EU-Gesetze, auch die bestehenden, automatisch übernimmt. Weil die EU angekündigt hat, die bisherigen Einzelabkommen nicht mehr zu verlängern, könnte es schon bald drunter und drüber gehen, sofern es nicht doch noch zu einer Einigung kommt. Denn schon im Mai läuft der bilaterale Vertrag über technische Handelshemmnisse aus. Die 27 EU-Mitgliedstaaten haben zwar kein Interesse, dass die Verhandlungen mit der Schweiz scheitern, ein Freihandelsabkommen nach dem Vorbild des ausgetretenen Großbritanniens lehnen sie aber ab.
Für die Schweiz, das genau wie Deutschland einen sehr hohen Exportanteil hat, ist die Bundesrepublik der bedeutendste Handelspartner. Deutsche Unternehmen haben 2020 Waren im Wert von circa 56,3 Mrd. Euro in die Schweiz exportiert. Damit ist das kleine Land der neuntwichtigste Exportmarkt für die Bundesrepublik. Bei den Importen nach Deutschland liegt die Schweiz sogar auf dem siebten Platz. Sie betrugen im vergangenen Jahr rund 45,45 Mrd. Euro.
EZV/jr/promv