Warum die deutsche Export-Industrie wieder zum Zugpferd werden könnte
Vor ziemlich genau einem Jahr hätten wohl nur die kühnsten Optimisten geglaubt, dass die deutsche Exportwirtschaft ihr Vorkrisen-Niveau schnell wieder erreicht. Zu tief war der Einbruch in Folge der Corona-Pandemie, zu klaffend die Wunden. Doch im Frühjahr 2021 ist man nicht mehr allzu weit davon entfernt. Wie aus den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht, sind die hiesigen Ausfuhren im Februar zum zehnten Mal in Folge gestiegen, diesmal um 0,9% auf 107,8 Mrd. Euro. Im Vorjahresmonat lagen sie lediglich um 1,2% über diesem Wert. Die Importe legten binnen Jahresfrist sogar um 0,9% zu (Februar: +3,6%).
Der Außenhandel erstrahlt also längst wieder in alter Blüte, dennoch gibt es auch Dürrenachrichten, die vorsichtig stimmen sollten. Denn die hiesige Industrie hat im Februar – genau wie schon im Januar (-2%) – überraschend weniger produziert, dieses Mal um 1,6%. Experten führen das zum einen auf die kalte Witterung zurück, die viele Bauarbeiten vorübergehend gestoppt hat, zum anderen aber auch auf Lieferengpässe in der Vorproduktion und bei globalen Transportketten. Dazu zählen beispielsweise der Mangel an Halbleiterchips. So helfen der Industrie teilweise auch die gut gefüllten Auftragsbücher im Moment nicht, sie stiegen dem Statistischen Bundesamt zufolge im Februar um 1,2% gegenüber Januar. Dennoch spricht mittlerweile viel dafür, dass die deutsche Wirtschaftsleistung – wie schon im ersten Quartal 2020 – auch in diesem Auftakt-Vierteljahr schrumpft.
Manch einem Exporteur dürfte das egal sein. Allen voran die Geschäfte mit China florieren. So stiegen die Ausfuhren in die Volksrepublik binnen eines Jahres um 25,7% auf 8,5 Mrd. Euro, was allerdings auch am Einbruch zum Zeitpunkt des Corona-Ausbruchs in Asien Anfang 2020 gelegen hat. Die Exporte in die USA beliefen sich im Februar auf 9,5 Mrd. Euro, sie sind allerdings um 0,6% zurückgegangen. Die Ausfuhren in die insgesamt größte Absatzregion, die Länder der Europäischen Union, gingen um 0,6% auf 58,3 Mrd. Euro zurück, die ins aus der EU ausgetretene Großbritannien um 12,2%. Doch es gibt aufgrund der vollen Auftragsbücher und der relativ guten Stimmung in der Industrie viel Hoffnung, dass die deutsche Wirtschaft ab dem zweiten Quartal wieder wächst. So haben sich die Produktionserwartungen im März deutlich aufgehellt. Das hat die Konjunkturumfrage des Münchner ifo Instituts ergeben. Der entsprechende Wert stieg von 21,5 im Februar auf 30,4 Punkte. Dies ist der höchste Stand seit 1991, dem Jahr der Wiedervereinigung.
Ifo-Experte Klaus Wohlrabe wird in der Pressemitteilung mit den Worten zitiert: „Die Auftragsbücher füllen sich, und es gibt immer noch einen Nachholbedarf nach dem Krisenjahr.“ Nahezu alle Branchen kündigten Produktionssteigerungen an. „Insbesondere die Auto- und die Elektroindustrie wollen ihre Produktion stark ausweiten.“ Dort stieg der Umfragewert auf 46 (Februar: 36) bzw. 44 (Februar: 32). Im Maschinenbau und bei den Getränkeherstellern waren es immerhin jeweils 38, in der Metallerzeugung und -bearbeitung sprang der Wert zuletzt von 20 auf 36. Die Erwartungen der Chemiebranche blieben laut der Mitteilung nahezu konstant bei 19 Punkten, nach 21 im Februar. Die Hersteller von Leder, Lederwaren und Schuhen wollen ihre Produktion endlich wieder ausweiten. Der Umfragewert erreichte plus 21 Punkte, nach minus 34 im Februar – dem ifo-Institut zufolge „eine dramatische Wende“. Die Hersteller von Möbeln (-2) planen mit einer gleichbleibenden Produktion. Nur die Bekleidungsindustrie (-41) will ihre Produktion verringern.
ifo/jr/promv