Der Suez-Kanal ist wieder frei, die Probleme bleiben groß
Der Suez-Kanal ist tot, es lebe der Suez-Kanal! Am Montagnachmittag gelang es endlich, das riesige Containerschiff namens „Ever Given“ aus seinem havarierten Zustand zu befreien. Etwa 12% des Welthandels oder ein Warenwert von tagtäglich rund 10 Mrd. US-Dollar laufen über das enge Nadelöhr zwischen Rotem Meer und Mittelmeer. Durch die tagelange Blockade haben sich rund 400 Schiffe auf beiden Seiten gestaut. Dadurch wird der Unfall, dessen genaue Umstände derzeit ermittelt werden, noch lange zu spüren sein. Ägyptische und zuletzt auch internationale Helferteams waren in den vergangenen Tagen damit beschäftigt, rund 30.000 qm an Sand am über 220.000 Tonnen schweren Frachtschiff frei zu graben. Ein Wetterphänomen hat sein Übriges getan. Durch den Vollmond kam eine sogenannte Springflut über den Kanal. Die 400 Meter lange Ever Green, die von einer taiwanesischen Reederei betrieben wird, ist nun zunächst in ein Seitenbecken manövriert worden. Während ihre Fracht offenbar mehr oder weniger unbeschädigt ist, leiden viele Tiere auf den Schiffen im Stau unter Wasser- und Futtermangel.
Über diese Pulsschlagader des Welthandels werden zudem viele Öllieferungen transportiert, weshalb die Blockade auch Auswirkungen auf die weltweiten Ölmärkte hat. Neben der Ursachenforschung – etwa nach einem technischen Defekt oder menschlichem Versagen – wird es um die Schuldfrage und damit zusammenhängende milliardenschweren Schadenersatzforderungen gehen. Schon vor der Havarie der „Ever Given“ hat der Welthandel durch die Corona-Pandemie unter einer chronischen Containerknappheit gelitten. So haben sich die Frachtpreise aufgrund von gestörten Lieferketten binnen eines Jahres vervielfacht. Die Kosten dürften nun weiter explodieren, zumal durch die aufgestauten Schiffe eine große Frachtwelle auf Häfen wie Rotterdam, Hamburg und Singapur zurollen dürfte. An jedem der fast sieben Tage waren am Suez-Kanal Waren im Wert von knapp 10 Mrd. US-Dollar geblockt. Ähnlich lange könnte es nun dauern, bis sich der Stau an der bedeutenden Wasserstraße wieder aufgelöst hat. Einige Reedereien haben sogar bereits einen Umweg von mehreren tausend Kilometern und rund zehn Tagen über das südafrikanische Kap in Kauf genommen.
Von der Blockade sind hierzulande allen voran die Automobilindustrie, die Chemiebranche sowie der Maschinen- und Anlagenbau betroffen. Zahlreiche deutsche Unternehmen importieren die notwendigen Teile für ihre Produktion aus asiatischen Staaten – und der Weg über den Suez-Kanal hat sich hierfür bewährt. Durch die Verwerfungen rund um die Pandemie ist die Situation ohnehin schon angespannt. So sind Frachtflüge zwischen Europa und Asien bereits hoffnungslos überteuert, auch weil praktisch keine Passagiermaschinen mehr fliegen. Dort werden sonst an Bord auch Industrieteile mittransportiert.
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