Russland: Nach Nord Stream 2 ist vor Wasserstoff-Kooperationen
Nord Stream 2 sorgt seit Längerem für viel politischen Sprengstoff. Die sich im Bau befindliche Ostsee-Pipeline, die künftig Gas von Deutschland nach Russland transportieren soll, ist ein umfassendes Projekt beider Länder. Doch das größte Flächenland der Welt exportiert nicht nur große Mengen seiner Gas- und Ölvorkommen. Es hat sich längst auch regenerativen Energiequellen zugewandt, wovon auch ausländische Firmen profitieren können. Ein Beispiel ist Wasserstoff. Schon jetzt werden in Russland jährlich 5 Mio. Tonnen von dem Energieträger produziert, noch überwiegend blauer und türkiser Wasserstoff aus Erdgas. Er entsteht allen voran in der Ölverarbeitung, der chemischen Industrie und Metallurgie. Künftig soll verstärkt auch grüner Wasserstoff mittel Elektrolyse in inländischen Solar- und Windparks gewonnen werden. Bis 2035 peilt Moskau zudem im großen Stil spezielle Wasserstoff-Anlagen an. Überschüssige Mengen sollen anschließend – ähnlich wie bei Öl und Gas – exportiert werden. Dazu bedarf es allerdings noch technologischen Fortschritts, auch um die Wasserstoff-Gewinnung wirtschaftlich zu machen. Aus diesem Anlass will die Regierung ausländische Investoren ins Land holen – unter anderem, indem zugehörige Techniken in die Liste des Sonderinvestitionsvertrages (SPIK 2.0) aufgenommen werden.
Ganz vorne spielen auch hier die exportorientierten russischen Energieriesen Gazprom – Eigner von Nord Stream 2 – Novatek und Rosatom mit. Schon bis 2024 planen sie entsprechende Wertschöpfungsketten und setzen dabei auch auf Expertise aus Deutschland. So hat der hiesige Öl- und Gasproduzent Wintershall Dea Ende Februar angekündigt, mit Gazprom zu kooperieren. Der Schwerpunkt liegt hierbei darauf, blauen Wasserstoff über die Methanpyrolyse zu erzeugen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit soll auch eine Mischung aus Erdgas und Wasserstoff entwickelt werden, die man künftig durch die russisch-deutschen Pipelines pumpen könnte. Gazprom gründete erst im Dezember 2020 die sogenannte Gazprom Hydrogen Company. Die Tochtergesellschaft soll innovative Pilotprojekte umsetzen, um beispielsweise Technologien für die kohlenstoffarme Speicherung, den Transport sowie die Nutzung von Methan-Wasserstoff-Gemischen zu entwickeln.
Der deutsche Energiekonzern Uniper hat dagegen eine Kooperation mit dem Gasriesen Novatek vereinbart. Ziel ist es, blauen und grünen Wasserstoff an die Kraftwerke von Uniper in Europa und Russland zu liefern. Siemens Energy arbeitet ebenfalls mit Novatek zusammen – und zwar bei der Gewinnung von blauem und grünem Wasserstoff zur Produktion von Flüssiggas (LNG). Dadurch sollen Treibhausgasemissionen reduziert werden. Siemens Gamesa entwickelt als Anlagenbauer und Technologiepartner einen Windpark mit einer Kapazität von 200 MW auf der nahe bei Finnland gelegenen Kola-Halbinsel mit. Novatek will zudem Windparks auf den Halbinseln Jamal, Gydan und Kamtschatka sowie in der Region Murmansk installieren. Der erzeugte grüne Wasserstoff soll anschließend nach Europa und Asien verschifft werden. Auf der Jamal-Halbinsel will man zudem Kohlenstoffdioxid in großem Umfang speichern.
Die staatliche Atomholding Rosatom plant im Kernkraftwerk „Kola“ im Gebiet Murmansk die Erzeugung von Wasserstoff aus Atomstrom. Das Institut für Physikalische Chemie der Russischen Akademie der Wissenschaften (RAN) entwickelt für Rosatom spezielle Technologien, um grünen Wasserstoff durch Elektrolyse zu entwickeln. Mit der Russischen Eisenbahn (RZD) und der Transmaschholding, ein russisches Maschinenbau-Unternehmen und der landesweit größte Hersteller von Eisenbahnfahrzeugen, will Rosatom auf der Insel Sachalin ein Cluster für die Produktion und den Export von Wasserstoff nach Asien aufbauen. Russlands größter Ölkonzern Rosneft kooperiert hingegen mit dem russischen Ölriesen BP, um ein Wasserstoff-Geschäftsfeld zu installieren. In jedem Fall gibt es für deutsche Energie- und Technologiefirmen in Russland viele Anknüpfungspunkte, wobei die politische Lage stets zu berücksichtigen ist.
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