Die Brexit-Übergangsfrist wird verlängert
Es hat exakt 1.641 Tage gedauert, bis sich die Europäische Union und Großbritannien kurz vor Heiligabend endlich handelseinig geworden sind. Die damit einhergehenden Bilder ließen zunächst das Schlimmste befürchten. In den Tagen rund um den Brexit-Deal bildeten sich lange Lkw-Staus am Grenzübergang zwischen Calais und Dover. Das aber lag nicht nur an den neuen Formalitäten rund um das Austrittsabkommen, sondern auch an der mutierten Variante des Coronavirus, die auf der grünen Insel erstmals im großen Stil nachgewiesen worden ist.
Der große Brexit-Knall aber ist ausgeblieben, auch wenn die Ein- und Ausfuhren zum Jahresbeginn vorübergehend massiv eingebrochen sind. Schließlich hatten die Unternehmen viereinhalb Jahre Zeit, um sich darauf einzustellen. Die Details stehen freilich erst in dem seit Jahresende bekannten 1.200 Seiten dicken Abkommen. Die Regelungen galten zwar quasi ab sofort, man einigte sich aber auf eine sechsmonatige Übergangsfrist für die geplanten strengen Grenzkontrollen nach Großbritannien.
Nun hat die britische Regierung auf die angespannte Lage zum Jahreswechsel reagiert – und den Zeitpunkt für die umfassenden Zollkontrollen vom 1. Juli 2021 auf 1. Januar 2022 verschoben. In ihrer Erklärung heißt es: „Das wird den Unternehmen mehr Zeit geben, sich auf Veränderungen an der Grenze vorzubereiten und Störungen zu minimieren, wenn die Wirtschaft allmählich wiedereröffnet wird.“ Damit können bis 31.12.2021 vereinfachte Anmeldungen bei standardisierten Waren gemacht werden. Die vollständige Zollanmeldung muss allerdings zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.
Auch wenn sich die EU und Großbritannien nach langem Ringen prinzipiell auf ein Freihandelsabkommen verständigt haben, gibt es zahlreiche neue Auflagen. So benötigen deutsche Importeure von ihrem britischen Handelspartner nun eine EORI-Nummer, wenn der Warenwert über 9.000 Britische Pfund liegt. Ansonsten werden 12% an Zollgebühren fällig. In der Gegenrichtung muss sich der Exporteur bei ungünstig gewählten Lieferbedingungen wie dem Delivered Duty Paid (DDP) um alle Formalitäten für die Grenzüberschreitung seiner Produkte selbst kümmern – zumal die britischen Unternehmen offenbar weniger gut rund um zolltechnische Abläufe informiert sind.
Neben notwendigen Zolldeklarationen existieren zahlreiche weitere Vorschriften. Beispielsweise müssen für Chemikalien spezielle Zertifizierungen bei Produkten, Verordnungen und Bestimmungen beachtet werden. Generell gilt: Großbritannien gehört nun nicht mehr dem EU-Binnenmarkt an, sondern ist ein Drittland – wenn auch ein besonderes.
jr/promv