Droht ein Impfstoffkrieg zwischen der EU und Großbritannien?
Kommt es in der Europäischen Union zu einem Exportstopp des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca? Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erneuerte jedenfalls am Wochenende ihren Unmut über den bisherigen Ablauf rund um das Serum des britisch-schwedischen Herstellers. Eine endgültige Entscheidung soll der EU-Gipfel Ende dieser Woche bringen. Fakt ist: Seit dem 1. Februar sind offenbar mindestens 41 Millionen Dosen des Vakzins aus dem EU-Binnenmarkt exportiert worden. Gleichzeitig sind Corona-Impfstoffe in der EU weiterhin Mangelware. Das vorübergehende Impfverbot von AstraZeneca in mehreren Ländern, darunter auch Deutschland, hat die Situation weiter verschärft. Auch andere Staaten greifen zum Mittel von Ausfuhrbeschränkungen – allen voran die USA. Dadurch kommt etwa vom vierten, in der EU zugelassenen Serum aus dem Hause Johnson & Johnson noch nichts in Europa an.
Seit Beginn der Impfkampagnen beklagt man sich auf dem europäischen Festland, dass Großbritannien indirekt ebenfalls Exportverbote verhängt hat. Schließlich musste AstraZeneca seine Lieferzusagen in die EU zurückschrauben. So hat der britisch-schwedische Hersteller im ersten Quartal, das nächsten Donnerstag zu Ende geht, bisher nur 30% seiner vereinbarten Menge übergeben können, während im Vereinigten Königreich bereits um die 40% der Bevölkerung zumindest einmal geimpft worden ist. Es ist offenbar vertraglich festgeschrieben, dass die EU nur in Großbritannien produzierte Chargen erhält. Sowohl AstraZeneca als auch die britische Regierung wiesen den Vorwurf der Ungleichbehandlung bislang stets von sich. Pikanterweise gingen bislang rund 10 Millionen Impfdosen von der EU nach Großbritannien – und zwar überwiegend vom deutsch-amerikanischen Impfkonsortium Biontech-Pfizer, dessen Vakzin zu einem großen Teil auf dem EU-Festland produziert wird.
Exportkontrollen und Genehmigungspflichten gelten für AstraZeneca bereits seit dem 1. Februar. Ein Verbot hat Italien Anfang März ausgesprochen, als es eine Lieferung von 250.000 Dosen nach Australien unterbunden hat. Ansonsten hat der britisch-schwedische Produzent wohl noch keine größeren Ausfuhranträge gestellt. Die britische Regierung um Premierminister Boris Johnson reagierten empört auf die neuen Drohungen von der Leyens. Ökonomen wie Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué befürchten bereits eine Art „pharmazeutischen Handelskrieg“. Allerdings hatte die EU-Kommissionspräsidentin im gleichen Atemzug auch wieder zurückgerudert. Demnach soll es zu keinen Impfstoffstopps von der EU nach Großbritannien kommen, von der Leyen erwartet jedoch Gegenseitigkeit und Transparenz. Unterdessen gab es am Montag eine positive und eine negative Schlagzeile, das strittige Covid-19-Vakzin betreffend. Auf der einen Seite wurde ein Zusammenhang zwischen AstraZeneca und Hirnthrombosen mit Todesfolge in seltenen Fällen nachgewiesen. Zum anderen war das Ergebnis einer US-Studie, dass der Impfstoff eine Wirksamkeit von 79% hat und vollständig gegenüber schweren Erkrankungen schützt. In Amerika ist er bislang noch nicht zugelassen.
jr/promv