Großbritannien: Von leeren Regalen und einbrechenden Lebensmittelexporten
Die Vorboten waren bereits Mitte Januar zu sehen und zu spüren. Seinerzeit blieben allen voran in Irland viele Supermarktregale leer, weil Importe aus Großbritannien nach dem Brexit einbrachen. Nun liegen Zahlenwerke vor, die zu den Bildern der freien Regale passen. So hat der britische Lebensmittelverband namens Food and Drink Federation (FDR) bekanntgegeben, dass die Exporte von Nahrungsmitteln aus Großbritannien in die Europäische Union im Januar um rund 75% im Vergleich zum Vorjahresmonat eingebrochen sind. Am heftigsten traf es Fisch und Tierfleisch. So kamen die Ausfuhren von Lachs mit einem Minus von 98% praktisch zum Erliegen, die von Rindfleisch (-91%) und Schweinefleisch (-86%) brachen ebenfalls heftig ein. Selbst den britischen Exportschlager Whiskey hat es FDR zufolge mit einem Rückgang von fast zwei Dritteln hart getroffen. Nach Deutschland gingen die Lebensmittel-Exporte zum Jahresbeginn sogar um 80% zurück.
Der britische Branchenverband gibt nicht-tarifären Handelshemmnissen die Mitschuld an diesem Einbruch. Darunter fallen etwa besondere Anforderungen an eine artgerechte Tierhaltung, Sicherheitsstandards, aber auch Lebensmittelzertifikate, die nun bei Ausfuhren in die EU notwendig sind. Vorab aufgefüllte Lager in EU-Niederlassungen waren ebenfalls mitverantwortlich. Viele Unternehmen auf beiden Seiten des Ärmelkanals haben die Gunst der Stunde vor dem Brexit noch genutzt, um ihre Bestände aufzufüllen. Die Corona-Pandemie habe nach FDR-Einschätzung hingegen eine untergeordnete Rolle gespielt.
Die britischen Verbandsvertreter schlugen um ob des dramatischen Einbruchs Alarm. Auch in umgekehrter Richtung ist der bürokratische Aufwand gestiegen. Spätestens wenn Großbritannien zum 1. Januar 2022 – die Frist war kürzlich um ein halbes Jahr verlängert worden – umfassende Grenzkontrollen einführt, könnte das auch EU-Lebensmittelexporteure hart treffen. Der Rückgang der Ausfuhren von der EU ins Vereinigte Königreich betrug zwar im Januar auch satte 34%. Zum einen war er aber bei Weitem nicht so heftig wie der Einfuhreinbruch. Zum anderen dürften auch hier Einmaleffekte wie aufgefüllte Lager einen wichtigen Einfluss gehabt haben.
jr/promv