Ein faktisches EU-Ausfuhrverbot von AZ-Impfstoffen ist näher gerückt
Es soll zwar kein offizielles Exportverbot sein, kommt dem aber wohl sehr nahe. Auf einem virtuellen Gipfel Ende letzter Woche sind die EU-Staaten zum Ergebnis gekommen, Ausfuhren des AstraZeneca-Impfstoffs weitgehend zu unterbinden. Dies soll über noch stärkere Kontrollen der anvisierten Chargen gelingen. Seit Mittwoch gelten verschärfte Exportregeln. Demnach sind Ausfuhrsperren in Drittländer möglich, wenn dort Vakzine produziert, aber nicht exportiert werden, oder wenn dessen Bevölkerung bereits weitgehend geimpft ist.
Hintergrund: Der britisch-schwedische Konzern hat seine Produktionszusagen gegenüber der EU nicht einmal ansatzweise erfüllt. Im zu Ende gehenden ersten Quartal hat AstraZeneca nur 30 anstatt der versprochenen 80 Millionen Impfdosen geliefert, im zweiten Quartal sollen es lediglich 70 statt 180 Millionen Impfdosen werden. Auf der anderen Seite hat die EU seit Februar 41,5 Millionen Dosen in alle Welt exportiert, darunter auch größere Produktionsmengen von Biontech-Pfizer. Dem EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton zufolge sollen die EU nun prinzipiell so lange keine größeren Vakzin-Mengen von AstraZeneca verlassen, bis dessen Zusagen erfüllt sind. Dass es sich dennoch um kein klassisches Exportverbot handelt, liegt daran, dass die EU-Kommission jeden Ausfuhrantrag einzeln bewerten und daraufhin entscheiden will. Von etwaigen Untersagungen wäre allen voran Großbritannien betroffen. Die Briten hoffen nämlich auf AZ-Impfstoff aus der neu aufgebauten Produktionsstätte im niederländischen Halix. Das Unternehmen hat hierfür am Freitag seine EU-Zulassung erhalten.
Eine Eskalation des Impfstoffstreits mit Großbritannien, aber auch anderen Staaten könnte schwerwiegende Folgen haben. Nicht nur AstraZeneca, sondern auch Biontech-Pfizer (und künftig verstärkt auch Moderna) stellen große Mengen des Vakzins innerhalb Europas her. Die Impfstoffhersteller benötigen für ihre europäischen Werke Vorprodukte und Rohstoffe aus allen möglichen Ecken der Welt. So werden unter anderem Lipide aus Großbritannien importiert, Abfüllgebinde aus den USA und Kanada oder Kanülen aus China. Auch abgesehen davon gehören diese Länder zu den wichtigsten EU-Handelspartnern. Insofern dürfte die EU-Kommission versucht sein, einen Konsens mit ihren Partnern zu finden. Exportkontrollen für Impfstoffe gibt es zwar schon seit dem 1. Februar. Bislang wurde bei insgesamt knapp 400 Anträgen aber nur ein Ausfuhrverbot verhängt. Die italienische Regierung untersagte Anfang März den Export von 250.000 AZ-Dosen nach Australien. Andere Länder, in denen Impfstoff produziert wird, ließen dagegen bislang so gut wie nichts nach draußen. Großbritannien und die USA verimpfen die im Inland hergestellten Chargen mehr oder weniger komplett an die eigene Bevölkerung.
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