Hat das weltweite „Race to the bottom“ bei Unternehmenssteuern bald ein Ende?
Wenn es um Steuererhöhungen geht, brechen Unternehmen in aller Regel nicht in Jubelstürme aus – ganz im Gegenteil. In dieser Woche war das anders. Schließlich rückte da eine weltweite Mindeststeuer für multilaterale Konzerne näher. Offiziell geht es hierbei um ein globales Abkommen zur Steuervermeidung von Unternehmen. Es wäre allen voran gegen die Technologiefirmen gerichtet, die ihre Gewinne bislang mehr oder weniger beliebig zu ihren Gunsten um den Globus verschieben konnten.
Dem wollen die G-20-Staaten (und in der Folge womöglich auch die OECD-Länder) nun einen Riegel vorschieben. Die USA waren dabei stets verhalten, verstehen sie sich doch als Niedrigsteuerland, in dem die größten und erfolgreichsten Tech-Konzerne sitzen. Doch nun signalisierte die neue US-Finanzministerin Janet Yellen, die erste Frau in diesem Amt, ihre Zustimmung zum Prinzip eines globalen Mindeststeuersatzes. Damit soll der Abgaben-Wettlauf nach unten (Race to the bottom) verhindert werden, bei dem Länder versuchen, Unternehmen mit niedrigen Steuern anzulocken. In Europa ist etwa Irland für Steuerdumping bekannt. Den größten EU-Volkswirtschaften Deutschland und Frankreich ist das schon lange ein Dorn im Auge. Insofern frohlockten deren Finanzminister Olaf Scholz und Bruno Le Maire über den neuen Vorstoß. Auch in der OECD werden entsprechende Pläne schon seit Jahren diskutiert.
Die US-Initiative erfolgt natürlich nicht ohne Eigennutz: Schließlich benötigt auch der amerikanische Staat nach den gigantischen Rettungspaketen dringend Geld. Gerade die Ex-FED-Chefin Yellen gilt als Verfechterin eines relativ links-progressiven Kurses. So sollen die US-Unternehmenssteuersätze von der Biden-Regierung wieder von 21 auf 28% angehoben werden. Ohne globale Mindeststeuer würde dadurch das Abwanderungsrisiko deutlich steigen. Gleichzeitig missfällt vielen Finanzregierungen schon lange, dass US-Firmen wie Amazon, Google oder Facebook für ihre digitalen Dienstleistungen in den jeweiligen Ländern keine oder kaum Steuern entrichten.
Insofern stehen – nachdem nun offenbar auch die amerikanische Politik dahinter steht – die Chancen auf Einigung noch in diesem Jahr ganz gut. Eine Reform des internationalen Steuergefüges gilt allerdings als ausgesprochen komplex. Die US-Regierung nannte als Steuersatz bereits relativ hohe 21%. Auf OECD-Ebene war bislang stets von 14% die Rede. Das Niedrigsteuerland Irland verlangt aktuell 12,5% von den dort ansässigen Firmen, weshalb dort viele US-Unternehmen ihren Europa-Sitz haben. 1980 lag der Durchschnittssteuersatz auf Firmen international noch bei 38,5%. Der Wert für 2020 betrug dagegen nur noch 22,5%.
Eine entscheidende Frage ist daneben die Steuerbemessungsgrundlage. So könnten multinationale Unternehmen künftig nach einem Anteil besteuert werden, der berücksichtigt, wo ihre Kunden tatsächlich zu Hause sind. Dies könnte für den deutschen Fiskus allerdings auch zu Mindereinnahmen führen, weil die exportorientierte deutsche Industrie viel Kundschaft im Ausland sitzen hat. Aus der deutschen Wirtschaft kam jedenfalls Zustimmung zu einem globalen Mindeststeuersatz – genau wie aus der FDP. Schließlich ist es so, dass der hiesige, häufig familiengeführte Mittelstand die regulären inländischen Unternehmenssteuern zahlt – Körperschafts- und Gewerbesteuer belaufen sich hierzulande durchschnittlich auf rund 30% -, während internationale Konzerne sich aus ihrer vermeintlichen Steuerpflicht herausstehlen. Nationale Alleingänge, wie die einer Digitalsteuer, sieht die Industrie dagegen kritisch, weil sie internationale Steuerkonflikte und Doppelbesteuerungen zur Folge haben können. So erheben die USA wegen deren eingeführter Digitalsteuer nach wie vor Zölle auf Importe aus Frankreich. Das nächste Treffen der G-20-Finanzminister ist für Anfang Juli angesetzt.
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